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Merkblatt Verfassungsbeschwerde

I. Allgemeines:

Jedermann kann Verfassungsbeschwerde zum Thüringer Verfassungsgerichtshof erheben, wenn er sich durch die öffentliche Gewalt in einem seiner Grundrechte (vgl. Artikel 1 ff. der Verfassung des Freistaats Thüringen - ThürVerf -), grundrechtsgleichen oder staatsbürgerlichen Rechten (z.B. Art. 46, 51, 68, 82, 87, 88 ThürVerf) verletzt glaubt.

Der Thüringer Verfassungsgerichtshof kann die Verfassungswidrigkeit eines Aktes der öffentlichen Gewalt des Freistaats Thüringen feststellen, ein vom Thüringer Landtag beschlossenes Gesetz für nichtig erklären oder eine verfassungswidrige Entscheidung eines Gerichts des Freistaats Thüringen aufheben. 

Andere Klageziele (z.B. Verfolgung von Schadensersatzansprüchen, Stellung von Strafanträgen u.ä.) können im Wege der Verfassungsbeschwerde nicht erreicht werden. Der einzelne Staatsbürger hat grundsätzlich auch keinen mit der Verfassungsbeschwerde verfolgbaren Anspruch auf ein bestimmtes Handeln des Gesetzgebers.

Verfassungsbeschwerden gegen gerichtliche Entscheidungen führen nicht zu deren Überprüfung im vollen Umfang, sondern nur zur Nachprüfung auf verfassungsrechtliche Verstöße. Dass die Gestaltung des Verfahrens, die Feststellung und Würdigung des Tatbestandes, die Auslegung eines Gesetzes oder seine Anwendung auf den einzelnen Fall möglicherweise Fehler enthalten, bedeutet für sich allein und ohne weiteres nicht schon eine Grundrechtsverletzung. Verfassungswidrig ist ein solcher Fehler nur dann, wenn er bei Anwendung von Landesrecht ein Grundrecht der Landesverfassung verletzt.

II. Form und Inhalt der Verfassungsbeschwerde:

Die Verfassungsbeschwerde ist schriftlich einzureichen und zu begründen. Die Begründung muss mindestens folgende Angaben enthalten (§ 18 Absatz 1 Satz 2, § 32 Thüringer Verfassungsgerichtshofsgesetz - ThürVerfGHG):

  1. Der Hoheitsakt (gerichtliche Entscheidung, Verwaltungsakt, Gesetz), gegen den sich die Verfassungsbeschwerde richtet, muss genau bezeichnet werden (bei gerichtlichen Entscheidungen und Verwaltungsakten sollen Datum, Aktenzeichen und Tag der Verkündung bzw. des Zugangs angegeben werden).
     
  2. Das Grundrecht, grundrechtsgleiche oder staatsbürgerliche Recht, das durch den beanstandeten Hoheitsakt verletzt sein soll, muss benannt oder jedenfalls seinem Rechtsinhalt nach bezeichnet werden.
     
  3. Es ist darzulegen, worin im Einzelnen die Grundrechtsverletzung erblickt wird. Hierzu sind auch die mit der Verfassungsbeschwerde angegriffenen Gerichtsentscheidungen, Bescheide usw. in Ausfertigung, Abschrift oder Fotokopie vorzulegen.

III. Weitere Zulässigkeitsvoraussetzungen:

  1. Die Verfassungsbeschwerde gegen Entscheidungen der Gerichte und Behörden ist nur innerhalb eines Monats zulässig. Sie muss daher innerhalb dieser Frist eingereicht und begründet werden (§ 33 Absatz 1 ThürVerfGHG).

    Konnte der Beschwerdeführer die Frist ohne Verschulden nicht einhalten, so kann binnen zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt und die Verfassungsbeschwerde nachgeholt werden. Die Tatsachen zur Begründung des Antrags sind glaubhaft zu machen. Das Verschulden eines Verfahrensbevollmächtigten bei der Fristversäumung steht dem Verschulden des Beschwerdeführers gleich (§ 33 Absatz 2 ThürVerfGHG).
     
  2. Die Anrufung des Thüringer Verfassungsgerichtshofs ist grundsätzlich erst dann zulässig, wenn der Bürger zuvor alle ihm sonst durch die Rechtsordnung eingeräumten Rechtsbehelfe (also z.B. Berufung, Revision oder Beschwerde zur nächst höheren Instanz) vergeblich genutzt hat und keine anderweitige Möglichkeit besteht (oder bestand), die Grundrechtsverletzung zu beseitigen oder auf anderem rechtlich möglichen Wege ohne Inanspruchnahme des Thüringer Verfassungsgerichtshofs im praktischen Ergebnis dasselbe zu erreichen. Die Erhebung einer Verfassungsbeschwerde zum Bundesverfassungsgericht steht einer Verfassungsbeschwerde zum Thüringer Verfassungsgerichtshof nicht entgegen.
     
  3. Gesetze, Rechtsverordnungen oder Satzungen können mit der Verfassungsbeschwerde nur ausnahmsweise unmittelbar angegriffen werden und zwar dann, wenn sie den Beschwerdeführer selbst, gegenwärtig und unmittelbar beschweren. Die Verfassungsbeschwerde muss in diesem Fall binnen eines Jahres seit dem Inkrafttreten der Rechtsvorschrift erhoben werden.

    In der Regel bedürfen Rechtsvorschriften jedoch des Vollzuges, d.h. der Anwendung im einzelnen Fall durch eine behördliche oder gerichtliche Entscheidung, gegen die der Betroffene den Rechtsweg vor den zuständigen Gerichten erschöpfen muss. In aller Regel ist die Verfassungsbeschwerde daher in solchen Fällen erst nach der Entscheidung des letztinstanzlichen Gerichts zulässig (§ 31 Absatz 3 ThürVerfGHG).

IV. Vertretung:

Der Beschwerdeführer kann die Verfassungsbeschwerde selbst erheben. Will er sich vertreten lassen, dann kann dies grundsätzlich nur durch einen bei einem deutschen Gericht zugelassenen Rechtsanwalt oder durch einen Rechtslehrer an einer deutschen Hochschule geschehen (§ 17 Absatz 1 ThürVerfGHG). Die Vollmacht ist schriftlich zu erteilen und muss sich ausdrücklich auf das Verfahren vor dem Thüringer Verfassungsgerichtshof beziehen (§ 17 Absatz 4 ThürVerfGHG).

V. Erledigung unzulässiger oder offensichtlich unbegründeter Ver­fassungsbeschwerden

Verfassungsbeschwerden können durch einstimmigen Beschluss eines von dem Verfassungsgerichtshof für die Dauer eines Geschäftsjahres bestellten Ausschusses zurückgewiesen werden, wenn sie unzulässig oder offensichtlich unbegründet sind. Der Ausschuss besteht aus dem Präsidenten des Verfassungsgerichtshofs, einem Mitglied, das Berufsrichter sein oder die Befähigung zum Richteramt haben muss, und einem weiteren Mitglied des Verfassungsgerichtshofs.

Ist eine Verfassungsbeschwerde unzulässig oder offensichtlich unbegründet, so kann der Verfassungsgerichtshof dem Beschwerdeführer eine Gebühr bis zu 550,00 € auferlegen.

VI. Gerichtskosten

Das Verfahren vor dem Thüringer Verfassungsgerichtshof ist kostenfrei. Neben der Unterliegensgebühr (s. oben V.) kann der Thüringer Verfassungsgerichtshof dem Beschwerdeführer eine Gebühr bis zu 2600,00 € auferlegen, wenn die Einlegung der Verfassungsbeschwerde einen Missbrauch darstellt.

VII. Rücknahme von Anträgen

Bis zur Entscheidung des Thüringer Verfassungsgerichtshofs ist die Rücknahme einer Verfassungsbeschwerde oder eines Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung grundsätzlich möglich. Eine Gebühr (s. oben VI) wird in diesem Fall nicht erhoben.